Ein Garten offenbart sich
Kurzmeinung: Mein erstes Lesehighlight im Lesejahr 2024!
Katrin de Vries erzählt ihrer Leserschaft von der Bepflanzung eines riesengroßen Grundstücks, das sie zusammen mit einem sehr alten Haus im Rheiderland für ihre Familie gekauft hat und seitdem mit ihr bewirtschaftet. Dabei durchläuft sie eine Läuterung. Zunächst entspricht sie den Erwartungen der Nachbarn, man muss eine ordentliche, kurzgeschorene (sterile) Grünfläche haben, auch wenn sie viel Arbeit macht . Abgesehen vom Rasenwahn entreißt sie dem Garten, was er zu bieten hat, ohne etwas zurückzugeben. Aber allmählich fängt sie an, umzudenken: Maulwürfe und Ameisen haben ihre Berechtigung im Garten und sind nicht dessen Feinde, eine Wildwiese bietet den Insekten endlich wieder Lebensmöglichkeiten, Rasen dagegen ist eine tote Fläche. Totholz erfüllt eine Funktion, bietet Raum den Kleinstlebewesen und den Vögeln. Alte Bäume soll man in Ruhe und Würde sterben lassen und sie nicht vorzeitig umbringen, ausreißen, entsorgen. So bringen sie sich von selber in den Lebenskreislauf wieder ein. Unsere gesellschaftliche Anbetung der Jugend erstreckt sich auch auf Tiere und Pflanzen. Das muss man sich einmal bewusst machen!
Am Ende eines Lernprozesses ist Katrin de Vries von einem unwissenden und deshalb rüden Alleinherrscher zu einer Mitarbeiterin ihres Gartens geworden. In vielfältiger Weise. Zu kurz kommt sie deswegen nicht, ganz im Gegenteil: ihre Erfolge geben ihrer Vorgehensweise recht. Als Beispiel: sie muss nicht mit Gift gegen den Buchsbaumzüngler vorgehen wie ihre Nachbarn oder mit Kahlschnitt, ihr Garten hat die Kraft, zu widerstehen. Und die Ernte ist mannigfach; auch wenn ein paar Salatköpfe an die Schnecken gehen oder die Wühlmäuse ihren Teil Leben aus dem Garten nehmen. Schließlich ist er für alle da - oder nicht?
Vor allem im ersten Teil des autobiografischen Gartenbuchs widmet die Autorin sich den Erinnerung an das arbeitsreiche Leben ihrer Großeltern auf dem Land, die zusammen mit den anderen Dorfbewohnern ein organisches, gesundes Leben führten, freilich nicht ohne Mühe und so ganz ohne Wohlstand, es war ein karges Leben mit geringen Bedürfnissen; doch es war auch eine Lebensweise, die kaum Müll produzierte und gar keinen Elektroschrott. Dafür machte man viele Arbeiten gemeinsam; Erbsen pulen, Beeren pflücken, einmachen, etc. etc. Dabei wurde gesungen und erzählt. Trotz aller Erinnerungen ist Katrin de Vries nicht nostalgisch. Wir sind moderne Menschen, wir können nicht zurück in die Steinzeit, doch manches aus der alten Zeit sollte man bewahren: das Gute.
Katrin de Vries ist ein naturnaher, wunderschöner Roman gelungen, der in feiner Sprache erzählt, wie sie als langjähriger Haus- und Gartenbesitzer einen Weg gefunden hat, im Einklang mit der Natur ihr Grundstück zu bewirtschaften und gleichzeitig die Natur zu bewahren. Alles, was es dazu brauchte, war die Bereitschaft hinzusehen und von der Natur zu lernen.
Fazit: Eine wunderschöne Erzählung mit Beispielcharakter und manchen Erinnerungen, die ältere Leserinnen teilen, ich sage nur: Teppichklopfer! Für dieses schöne Buch, das in einer Leserunde einhellig Anklang fand, gebe ich eine Leseempfehlung!
Kategorie: Autobiografie
Verlag: dtv 2024
Ein Lesehighlight
Wie soll und kann ein Garten sein?
Erfahrungsbericht, Kindheitserinnerungen, philosophisch anmutende Gedanken, kritische Anmerkungen – regt an, Einstellungen zu überdenken
Katrin de Vries und ihre Familie ziehen in ein altes Haus in Nordseenähe mit einem riesigen Garten. Was macht man damit? Bäume, Sträucher, Rasen, Gemüse?? Die Autorin lässt uns an der Entwicklung ihres Gartens zu einem naturnahen Biotop teilhaben und flicht Kindheitserinnerungen an ein einfaches, primitives Leben ein, als man noch eine andere Einstellung zum Garten und zur Natur hatte. Dabei bleibt es nicht aus, dass kritische und nahezu philosophische Gedanken aufkommen.
Was hat ein früheres Leben mit dem Garten zu tun? So dachte ich zuerst, aber mir wurde schnell klar, dass alles ein großes Ganzes ist und einander bedingt. Lebensumwelt des Menschen und Natur hängen eng zusammen, auch wenn die meisten Menschen das heutzutage nicht mehr sehen.
Die Autorin übt eine Menge Kritik, manches nur kurz angerissen, anderes ziemlich ausführlich, vor allem die am allgegenwärtigen Rasen, den fast alle haben, dessen Mähen aber nicht alle lieben. Ihre Söhne (die manchmal etwas allzu belehrend herüberkommen ;-) schlagen ihr vor, die Gräser einfach wachsen zu lassen und nur Wege zu mähen. Natürlich ist dies ganz auf ihren riesigen Garten bezogen. In den kleinen Gärtchen von heutzutage würden sich die Nachbarn schnell beschweren, wenn Unkrautsamen in ihren Garten fliegen. UNKRÄUTER? Es heißt natürlich Wildkräuter und de Vries versucht, uns ihre Schönheit und Bedeutung nahezubringen. Überhaupt kann man alle ihre Ideen nicht 1:1 umsetzen, sondern jeder muss seine eigene Vorgehensweise finden. So könnte man z.B. eine kleine runde Grasinsel ungemäht lassen und gucken, was sich entwickelt.
Sie prangert auch die Überheblichkeit des Menschen an, zu bestimmen, was wachsen darf und was 'weg muss', die Ordnungs- und Kontrollsucht, die im Rasen kein Kräutlein duldet und die Industrie, die Kaufgelüste weckt und den Garten als lukrative Absatzmöglichkeit entdeckt hat (Gartengeräte, Mähroboter, etc. - Ich ergänze noch die Lämpchenseuche, die gerade grassiert).
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielen Beobachtungen und Gedanken der Autorin. Mich hat das Buch sehr zum Nachdenken gebracht und mir auch viele Anregungen gegeben, nicht unbedingt gartentechnischer Art – dafür gibt es passendere Bücher – sondern es hat mich angeregt, die Natur mit ihrem Repräsentanten 'Garten' mit neuen Augen zu sehen und wieder aufmerksamer umherzugehen.
Nicht zuletzt will ich das wunderschöne, ein wenig altmodische anmutende Cover erwähnen, das hoffentlich viele Blicke auf sich zieht. Ich jedenfalls spreche ein große Lese-Empfehlung aus und wünsche diesem Buch viele Leser.
Da es bei ihr zum Schluss auch um die Thema Altern, Verblühen, Schönheit, Tod geht, füge ich das Bild einer verblühten Pfingstrose an.